Grammatik der Regeln einer Zusammenarbeit im Rahmen der Digitalität

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Ehemalige Beck et al. Beiträge

Da im Zuge der Fusion bzw. des Übergangs zur Firma Skaylink Zug um Zug alle ehemaligen Zeugnisse der Firma Beck et al. aufgelöst werden habe ich mich dazu entschieden, diejenigen Blogbeiträge, die wesentlich durch meine Mitarbeit entstanden sind, auf meiner Webseite zu hinterlegen. Verfasst wurden sie im Regelfall von Sigi (Siegfried Lautenbacher) und mir als Autorenteam. Hinterlegt hatten wir sie nach mehreren Experimenten am Ende in Medium. Mit dieser Übertragung werde ich zum einen die Überschriften anpassen, zum anderen möchte ich Sie einordnen in den Rahmen der Kultur der Digitalität[1]Was wir damals schon intendiert und oft genug auch schon expliziert hatten. sowie vor allem der philosophischen Auseinandersetzung um eine kollektive (Wir-) Intentionalität.[2]Hierzu habe ich einen Eintrag im Handbuch Philosophie der Digitalität erstellt.

Die Einordnung in die kollektive Intentionalität ist mir deshalb besonderst wichtig, weil sie das philosophische Fundament dessen darstellt, was wir in unseren Blogbeiträgen immer als Social Collaboration oder einfach auch nur digitale Kollaboration bezeichnet haben. Insofern sehe ich dies als philosophische Weiterentwicklung des Vorhabens, das die ehemalige Beck et al. für mich immer ausgezeichnet hat. Darum habe ich auch die Querverweise auf unseren damaligen Corporate Blog in den Texten gelassen bzw. gelegentlich auch aktualisiert. Genauer geht es um folgende Blogbeiträge, die ich gespiegelt habe:[3]Solange sie auf Medium zur Verfügung stehen, verlinke ich auf die zum Teil dort ebenfalls bereits „geretteten“ Beiträge von der ehemaligen WordPress Instanz.

Die ebenfalls auf Medium hinterlegten Beiträge von mir persönlich, die als Blogbeitrag im Rahmen des Corporate Blogs eingebunden wurden lasse ich natürlich auf Medium. Sie sind sowohl im Widget auf dieser Seite zu erreichen, als auch über meinen damaligen (und noch bestehenden) Account hier.

Grammatik der Regeln einer digitalen Zusammenarbeit

Eine Grammatik ist jedoch gleichsam der Bauplan des korrekten Sprachgebrauchs, indem es die normativen Regeln setzt. In einem übertragenen Sinn bedeutet Grammatik deshalb, etwas “Wesensbestimmendes” zu sein, also beispielsweise eine Beschreibung einer dem jeweiligen Thema “innewohnenden Struktur” zu liefern bzw. die “Tiefenstruktur” zu erkennen.

Und genau das soll diese Grammatik der digitalen Zusammenarbeit leisten: eine Wesensbestimmung sein und ein Regelwerk für eine zu gestaltende Tiefenstruktur der Organisation darstellen.

Die hier beschriebenen Strukturprinzipien sind für die aufmerksamen Leser unseres Beck et al. Blogs nichts wirklich Neues. Sie fassen jedoch erstmals konzise zusammen, was wir bei Beck et al. in der praktischen Umsetzung bei unseren Kunden erfahren haben. Im originär philosophischen Sinne stellen sie eine Wesensbestimmung der digitalen Zusammenarbeit dar. Und im ganz persönlichen Sinn geben sie auch unsere eigenen Überzeugungen kraftvoll wieder. Auch als Unternehmen wollen wir uns schließlich — und das nicht nur in den Beratungsleistungen — daran messen lassen.

Dabei gilt auch für uns: die Regeln der digitalen Zusammenarbeit nicht nur aufzuzeichnen, sondern auch weiter zu entwickeln, kann selbst nur als kollaborativer und sozialer Akt gelingen. Als gültiges Regelwerk darf es also nicht nur auf unseren persönlichen Sichtweisen beruhen, sondern es muss, ganz wie die natürliche Sprache, Teil des Handlungsvollzugs einer entsprechenden Community werden. Dabei muss das grammatikalische Regelwerk offen für die weitere Entwicklung bleiben, schließlich sind auch Sprachen und Sprachsysteme etwas sehr Lebendiges.

Bild (auch Beitragsbild): Dieses Bild von PDPics auf Pixabay zierte auch ursprünglich unseren Beitrag. Freie Verwendung unter den Lizenzbedingungen von Pixabay.

Starten wir zunächst, und ab hier wird es jetzt formaler, mit der Grundregel, sozusagen als Basisregel oder als Regel aller (nachfolgenden) Regeln:

  1. Menschen sind von Natur aus soziale Wesen und geborene Teamplayer. Die Möglichkeit zur sozialen Kollaboration ist insofern auch eine Grundeigenschaft aller Beschäftigten. Sie ergibt sich im Handlungszusammenhang durch geteilte Intentionalität.
  2. Die kleinste ökonomische Wertschöpfungseinheit ist das Team (Community). D.h., die individuelle Leistungsfähigkeit im Sinne einer produktiven Befähigung ergibt sich immer aus dem Gruppenkontext.
  3. Soll dieser Zusammenhang im Sinne einer organisationalen Wertschöpfung fruchtbar gemacht werden, so ist der Bauplan dieser Organisation im Sinne der Ermöglichung und Einbindung von Communities in die Organisationsstruktur zu gestalten.
  4. (Digitale) Communities weisen bestimmte Eigenschaften auf, die für sie konstitutiv sind. Dazu gehören das Prinzip der Augenhöhe genauso wie die (tatsächliche) Autonomie der Mitglieder und die Selbstbestimmung bei der Gestaltung der internen Zusammenarbeit. Sie müssen auch im Rule-Set der Organisation er- und verfasst werden.
  5. Communities können nicht bestimmt oder “installiert” werden, sie entstehen durch Vernetzung derjenigen Beschäftigen untereinander, die ein Thema gemeinsam befördern, ein Produkt oder eine Dienstleistung zusammen erstellen bzw. ein Problem kollaborativ lösen wollen. Auch diese Grammatik gilt es festzuhalten.
  6. Führungsaufgaben in Communities werden anhand von Rollen verteilt, die temporär nach den jeweiligen Aufgaben und Fähigkeiten der Teammitglieder besetzt werden. Erst dann können sie zu einem integralen Bestandteil der Geschäftsprozesse werden.
  7. Der Zusammenhang und die Orientierung der Communities an den übergeordneten Unternehmenszielen wird zum einen über das jeweilige Interessengebiet der Community, zum anderen über das Leben der Prinzipien des jeweiligen Unternehmens durch die Community-Mitglieder hergestellt.
  8. Ein Leben der Prinzipien, wie beispielsweise die Wertschätzung von Kunden, gelingt ausschließlich darüber, dass die Beschäftigten in einer digitalen Organisation selbst in diesem jeweiligen Sinne anerkannt werden.
  9. Teilen und (sich) Mit-teilen als „Beziehungskiste“ ergeben sich aus der kollaborativen Grundveranlagung, sind also ebenfalls grundsätzliche und angeborene Fähigkeiten von arbeitenden Menschen. Die konkrete Ausgestaltung der Prozesse in Organisationen entscheidet darüber, wie leicht dies beispielsweise über digitale Plattformen möglich wird.
  10. Auch das (digitale) Corporate Social Learning entspricht dem kollaborativen Zusammenhang. Es ist dann produktiv, wenn die Tiefenstrukturen der Organisation gesehen, reflektiert und so angepasst werden, dass Social Learning Prozesse tatsächlich praktiziert werden und das notwendige Wissen gemeinsam generiert sowie vernetzt geteilt, mithin wirksam!, wird. Dem entspricht auch die Struktur eines wirksamen Organisationswissens.
  11. Digitale Prinzipien wie etwa #WOL (Working out loud) oder Formate wie etwa Barcamps befähigen insbesondere Multiplikator:innen zum Lernen dieser Regeln und sind insofern fester Bestandteil eines institutionalisierten digitalen Corporate Social Learning. Inhaltlich getragen werden sie von Erkenntnissen der Gruppendynamik.
  12. Eine Kultur der Digitalität, gründend auf den Prinzipien Referentialität, Gemeinschaftlichkeit und Algorithmizität (Felix Stalder), ergibt sich als Kultur in Unternehmen aus der konsequenten Umsetzung der vorstehenden Regeln. Erst dann nämlich können sich die Beschäftigten als Menschen persönlich und gleichberechtigt begegnen (Gemeinschaftlichkeit), im Rahmen von Communities gemeinsam Wissen entwickeln und vernetzt teilen (Referentialität) sowie digitale Technologien partizipativ und vertrauensvoll in der täglichen Zusammenarbeit verwenden (Algorithmizität). Erst aus dem Zusammenspiel der Regeln im Rahmen einer solchen Kultur entsteht auch die Dynamik einer grundlegenden Transformation. Der umgekehrte Fall gilt nicht.

Dies ist nun unser aktueller Formulierungsvorschlag für eine Grammatik der digitalen Zusammenarbeit im Jahr 2021. Natürlich gilt auch hier, was wir oben bezüglich der Grammatik allgemein angemerkt haben: man muss die Regeln nicht explizit kennen und detailgetreu ausführen, um eine digitale Organisation aufzubauen oder einen Wandel dorthin zu initiieren. Andererseits aber helfen sie dabei, einen Blick darauf zu werfen, auf was es eigentlich ankommt und welche Schritte möglicherweise in einer sinnvollen Reihenfolge anzugehen sind. In den Worten, die Kurt Lewin zugeschrieben werden: es gibt nichts praktischeres, als eine gute Theorie.

Zentral für ein Gelingen ist aus unserer Sicht dabei mindestens, den normativen Anspruch, der hinter den Regeln — und dahinter noch einmal hinter dem Menschenbild — steckt, im organisationalen Handlungszusammenhang in den Communities einzulösen.[4]Das ist eine der zentralen Querverbindungen zum Thema der kollektiven Intentionalität. Das werde ich bei Gelegenheit sicher genauer ausführen.

So: nun sind Sie dran. Gespannt warten wir auf weiterführende Ideen, kritische Einwürfe und natürlich andere Beispiele ganz praktischer Erfolge bei der organisationalen Umsetzung. Am Arbeiten im Sinne dieses grammatikalischen Werkes wollen wir uns — wie oben schon geschrieben — auch persönlich messen lassen.

Die Blogreihe im Überblick (auf dieser Site)

  • Grammatik der Regeln einer Digitalen Zusammenarbeit (dieser Beitrag)
  • Wirksames Organisationswissen
  • Wirksames Organisationslernen
  • Situiertes Lernen und Communities of Practice – Teil 1
  • Situiertes Lernen und Communities of Practice – Teil 2
  • Organisationen als Welterschließung
  • Was soll eigentlich neu an der Arbeit sein

Nachträge vom 13. – 15.09.2023

Gegenüber der veröffentlichten Version gestern habe ich die Überschriften neu gestaltet bzw. sortiert und deutlich zu machen, dass es sich hier um eine der ehemaligen Beiträge von Beck et al. handelt, er also in eine Reihe von Beiträgen auf meiner Webseite steht. Dabei habe ich auch die Originalüberschrift vorangestellt. Eingefügt habe Ihnen Text auch das Beitragsbild mitsamt Quellennachweis bzw. Link. Inhaltlich habe ich am Beitrag nichts verändert, eingefügt habe ich aber noch den Hinweis auf meine individuellen Beiträge auf Medium.

Am Ende habe ich die Blogreihe im Überblick eingefügt, um auf dieser Seite zu den einzelnen Beiträgen springen zu können. Ich werde Zug um Zug verlinken, sobald die fehlenden Beiträge online sind.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Was wir damals schon intendiert und oft genug auch schon expliziert hatten.
2 Hierzu habe ich einen Eintrag im Handbuch Philosophie der Digitalität erstellt.
3 Solange sie auf Medium zur Verfügung stehen, verlinke ich auf die zum Teil dort ebenfalls bereits „geretteten“ Beiträge von der ehemaligen WordPress Instanz.
4 Das ist eine der zentralen Querverbindungen zum Thema der kollektiven Intentionalität. Das werde ich bei Gelegenheit sicher genauer ausführen.