Kulturelle Unterschiede schon im Kleinen

Ungefähre Lesezeit (inklusive oft umfangreicher Anmerkungen in Form von Fußnoten): 2 Minuten

Was für ein Fauxpas! Und das mir. Jedenfalls war es gestern geschehen. Der Reihe nach: Schon lange vereinbart kam eine Gruppe chinesischer Gewerkschsafter /-innen, um sich auch über die Herausforderungen der Gewerkschaften in der Bundesrepublik zu informieren. Da ich Erfahrung im Umgang mit Gruppen, die konsekutiv gedolmetscht werden, habe, war ich soweit gut vorbereitet. Außerdem hatten wir schon öfter Delegetionen aus China zu ähnlichen Themen. Auch Gewerkschafter /-innen. Insofern dachte ich, wäre alles klar. Die erste Irritation trat auf, als der Dolmetscher mir immer wieder zu verstehen gab, das sei zu schwierig zu verstehen und sich gar nicht die Mühe machte, das Problem zu übersetzen. Das hatte ich bis dato noch nicht erlebt. Ich diskutierte also ab und zu mit dem Dolmetscher um ihn zu überzeugen, dass die angesprochenen Punkte wichtig wären – auch in Bezug auf die Herausforderungen.

Es blieb immer aber schwierig, die passenden Worte zu finden um zu erklären, was für mich die Herausforderungen darstellten. Die zweite Irritation trat auf, als ich meine einführenden Worte nach etwa 30 Minuten beendete und die Runde für Fragen eröffnete. Erwartet waren wohl ein zweistündiger Vortrag, in dessen Anschluss man wieder weiterfahren konnte. Den Hammer aber stellte dar, dass ich mit dem Beispiel Foxconn auf die Probleme der globalen Wertschöpfungskette für die Gewerkschaften hinweisen wollte. Und das mit Bezug auf China. Nun gebe ich zu, dass ich hier viel aus meiner Erinnerung wiedergegeben hatte. Aber auch auf Wikipedia stand, dass es sich zwar um eine taiwanische Firma (der Republik China) handelt, aber auch den größten Exporteur der Volksrepublik China (mit den jeweiligen Fabriken in Shenzhen, Kunshan, Wuhan und Yantai). Für mich steht Foxconn als Synomym der Probleme, die Sonderwirtschaftszonen und transnationale Konzerne in der globalen Produktionskette darstellen.

Die Gruppe, bzw. ihr Delegationsleiter, gaben mir sehr unmissverständlich zu verstehen, dass dies ein schlechtes Beispiel sei und sie sich „beleidigt“ fühlen würden (beleidigt war nicht das geäußerte Wort, aber doch war klar, dass es so etwas ähnliches sein musste). Ich bin mir nicht sicher, ob meine Entschuldigungen (mindestens 4 x) tatsächlich etwas dazu beigetragen haben, das Problem zu beseitigen. Obwohl ich meine Entschuldigungen sehr ernst meinte, weil mir überhaupt nicht daran gelegen war, die Teilnehmenden vor den Kopf zu stoßen. Aber unmissverständlich deutlich war mir, dass die weitere Gesprächsgrundlage schwierig war (und bis zum Schluss blieb). Und leider auch nicht mehr auf das Thema der internationalen Verflechtungen zurück zu beziehen war.

Was wiederum zeigt, dass der Konflikt zwischen China und Taiwan sowie das Staatsverständnis der Volksrepublik China, Taiwan nicht anzuerkennen, hier wohl voll durchgeschlagen ist. Zumindest beim Delegationsleiter, der noch einmal eindringlich darauf verwies, dies besser nie mehr zu tun. Von Gewerkschafter /-innen hätte ich mehr Distanz zur offiziellen Politik erwartet. Berechtigt? Wären unsere anders? Insgesamt waren es gestern sehr schwierige und anstrengende zwei Stunden. Das hätte ich nicht so gedacht. Beim Überreichen der Gastgeschenke war es zwar wieder einigermaßen normal, aber trotzdem werde ich noch lange über dieses Ereignis nachdenken. Es soll mir nicht noch einmal passieren und hat mir gezeigt, dass interkulturelle Verständigung auf einem solchen Niveau keinesfalls trivial ist. Und die kulturellen Unterschiede bereits in einem solchen Rahmen zu deutlichen Problemen und Mißverständnissen führen können.