Da sage mal niemand, er hätte es nicht gewusst!
Wenn Daniela Kuhr und Silvia Liebrich im Artikel in der SZ (hier) schreiben, dass global die Nahrungsmittelpreise aufgrund der „Biosprit“ Vorgaben steigen, dann ist das – auch in ihren Augen – kein neuer Befund. Es gab in dieser Frage – leider – schon immer den Zusammenhang, dass die reichen industrialisierten Länder auf Kosten anderer ihren Lebensstil weiterführen oder sogar noch ausbauen konnten. Dass aber jetzt Dirk Niebel diesen Umstand politisch nutzt, das ungeliebte E10 abzuschaffen (hier der Artikel in der SZ), ist mehr als nur verkehrt und politisch opportunistisch. Es ist deshalb nicht nur ein Kratzen an der Oberfläche, das weitgehend folgenlos bleiben wird. Es ist das offiizielle „Weiter So“, das hier aufscheint. Insofern lässt die Diskussion um Essen versus Kraftstoff ein viel tieferes globales Problem erkennen. Und wird, so Daniela Kuhr noch einmal später in der SZ (hier), oft viel zu einfach und platt geführt (wenngleich ihr Vorschlag der Verwertung bzw. Vergärung nur von Überschüssen ebenfalls nicht in dieser Form umsetzbar sein dürfte).
Was mich am meisten betroffen macht, das ist das ungenierte politische Weiteragieren in der bisherigen Art und Weise des Wirtschaftens und Lebens. Eben auch der Landwirtschaft, der Entwicklungs- und der Energiepolitik. Ein ökonomisches, vor allem aber politisches Weitermachen, das diesen Planeten ökologisch ruiniert, vorher aber die Menschen darauf eliminiert. „Hier geht es an erster Stelle um die Verantwortung für das Leben von Millionen Menschen, die sich ihr tägliches Brot nicht mehr leisten können, wenn Spekulanten und Landwirte über steigende Preise für Agrarrohstoffe jubeln“ schreibt Silvia Liebrich im zweiten Artikel „Kratzen an der Oberfläche„. Zumindest wiederum die, welche eh nichts von diesem Lebensstil haben.
Die Frage, die mich dabei bewegt, ist die: Kann man hier moralphilosophisch von Schuld bzw. Mitschuld am Tod von Menschen reden? Mindestens muss man den politisch Verantwortlichen attestieren, dass Sie es hätten wissen können. Und selbst Unwissenheit schützt bekanntlich vor Strafe nicht. Aber es ist dieses Wissen, das die Verantwortlichen in der Politik eigentlich haben müssen, das mich bedrückt. Denn das Denken und vor allem die Moral hört – entgegen der realen politischen Verantwortung – an der nationalstaatlichen Grenze nicht auf. Aber auch Politik endet eigentlich nicht an Landesgrenzen. Das hieße wiederum, wider besseren Wissens auch politisch zu verantworten, dass Millionen von Menschen vom Hungertod betroffen werden könnten, weil politisch die Weichen so gestellt wurden, wie sie nun mal gestellt worden sind. In diesem Fall also gilt für mich dann doch – ich stelle eine moralische und politische Mitschuld fest. Insofern ist wiederum nicht alles legitim, was juristisch legal ist. Das allerdings ist auch kein neuer Befund.