Ende gut – Alles gut!

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„Unternehmensführungen suchen die Unterstützung von Betriebsräten, um partizipative Managementkonzepte erfolgreich implementieren zu können“.

Das Zitat von Erhard Tietel stelle ich vor meinen Beitrag, den ich im Rahmen meiner Zusammenarbeit mit Beck et al. Services geschrieben habe. [1]Es stammt aus: Tietel, E. (2008): Betriebspolitik im Wandel: Betriebsräte als Grenzgänger. In: Supervision Nr. 1/2008, S. 6 – 13. Der Inhalt, den er behandelt, ist vielfach präsent, wird jedoch oft unterschätzt. Aber möglicherweise wird das ja im Webinar „Failure is not an option“ von Beck et al. diskutiert. [2]Die Zusammenarbeit mit Beck et al. Services ist unter der Idee entstanden, wie Betriebsräte für das Thema Social Collaboration zu gewinnen sein könnten. Das ist im Prinzip immer noch unser … Continue reading Der angesprochene Zusammenhang ist mir sehr wichtig [3]Ausführlicher habe ich dazu in meinem Beitrag Die Rolle betrieblicher Interessenvertretungen geschrieben. Dieser Beitrag ist im Juli 2014 erschienen in: Richter, A. (Hrsg.): Vernetzte Organisation. … Continue reading und ich hoffe, mit diesem Blog einiges zum komplexen Sachverhalt einer Social Collaboration beitragen zu können. Insofern ist dieser Blog von der Struktur her etwas anders aufgebaut als sonst.

Bitkom 2012 - Gründe gegen die Einführung von Social Media unter http://www.bitkom.org/files/documents/social_media_in_deutschen_unternehmen.pdf
Am Beispiel der Social-Media-Aktivitäten hat der BITKOM Branchenverband untersucht, welche Gründe intern gegen eine Einführung genannt werden. Daran ist gut zu erkennen, dass betriebliche Interessenvertretungen weder die einzigen „Institutionen“ sind, die prinzipielle Bedenken vorbringen, noch dass es einfach eines technischen Ausrollens der Plattform bedarf, weil zuerst einige grundlegende Zielbestimmungen vorgenommen werden müssen.
Grafik aus: Bitkom (2012) – Social Media in Deutschen Unternehmen, S. 22. Verfügbar unter http://www.bitkom.org/files/documents/social_media_in_deutschen_unternehmen.pdf

Warum Betriebsräte von Anfang an eingebunden werden müssen

Am Ende steht oft die Ablehnung des Betriebsrates. [4]Ich erwähne der Einfachheit halber die Institution des Betriebsrats. Dies ist einfach dem Umstand geschuldet, dass sie zu über 90 % den Anteil der betrieblichen Interessenvertretungen darstellen. … Continue reading Und die betrifft vielleicht einen Aspekt, der nun wirklich nur ein klitzekleines Detail des großen Ganzen darstellt. Aber ziemlich wirksam verhindert, dass die Social-Collaboration-Plattform ins Laufen kommt. Eine – häufig vorkommende – Ablehnung der Betriebs- und Personalräte ist in der Regel nicht deren Ignoranz oder dem Unwillen zu verdanken. Sie ist aber dann vorherzusehen, wenn man den notwendigen Veränderungen der Unternehmenskultur zu wenig Augenmerk geschenkt hat. Vor allem jedoch, wenn man Betriebsräte nicht von Anfang an konsequent und transparent in die einzelnen Prozesse der Einführung von Social-Collaboration Plattformen, wie etwa IBM Connections, eingebunden hat. D.h., dass die Regelungen, die nun zwingend erfolgen müssen, zu wenig bedacht und meist auch nicht explizit vereinbart werden.

Das Ende eines langen Prozesses

Der Betriebsrat hat aber nun einmal darauf zu achten, wie die berufliche Bildung im Betrieb läuft. Oder wie die konkrete Arbeitsorganisation, beispielsweise in Form der Gruppenarbeit, aussieht. Und noch mehr Mitbestimmung gibt es zu der Frage, inwiefern und in welcher Art und Weise eine persönliche Verhaltens- und Leistungskontrolle stattfindet. Und natürlich, ob die Datenschutzbestimmungen und Arbeitszeitregelungen generell eingehalten werden können. Gerade hier haben betriebliche Interessenvertretungen, beispielsweise über abzuschließende Betriebsvereinbarungen, eine qualifizierte Mitbestimmung. Es ist also oft das Ende eines langen Prozesses, was die Einführung von Social Collaboration Plattformen betrifft, das dem Betriebsrat die Mitbestimmungsrechte in die Hand gibt. Und leider wird es meist erst dann zu einem Thema für betriebliche Interessenvertretungen, weil sie vorher einfach nicht eingebunden worden sind. Obwohl die Ablehnungsgründe bei der Einführung von Social Business Collaboration vielfältig sind, erweist sich der Mangel an Transparenz und Kommunikation über die Planung und Einführung als das größte und zentralste Problem. Am Ende stellt sich deshalb heraus, ob von Anfang an alles richtig gemacht und kommuniziert wurde. Insofern kann man mit Fug und Recht sagen: Ende gut – alles gut. Was in diesem Fall die notwendige Zustimmung der betrieblichen Interessenvertretung betrifft.

Am Ende sieht man den Anfang

Um zu zeigen, warum es in jedem Fall sinnvoll ist, dass die betrieblichen Interessenvertretungen von vornherein und umfassend einbezogen werden, man also sinnvollerweise von Anfang an mit Ihnen kooperiert und transparent kommuniziert, lohnt sich ein Blick auf die Aufgaben und die Funktion von Betriebsräten. Ganz grundsätzlich sind sie auf vier Jahre gewählte Repräsentanten der Belegschaft, die gesetzlich weitreichende Möglichkeiten haben, deren Interessen gegenüber der Geschäftsführung oder Unternehmensleitung durchzusetzen. Sie üben ihre Funktion dabei freiwillig im Sinne eines Ehrenamtes aus. Sie haben eine Wahlfunktion, sind also eine demokratisch gewählte Institution in einer sonst eher hierarchisch strukturierten und durch Machtgefälle gekennzeichneten Organisation. Betriebsräte sind dabei nicht selten die einzige Instanz, die ein Unternehmen „als Ganzes“, also mit all seinen Dimensionen, überblicken und gegen Partialinteressen (beispielsweise von Shareholdern, der IT Abteilung oder dem Management) vertreten. Das knüpft eigentlich wunderbar an die Funktionsweise von Social-Collaboration Plattformen an. Denn mit der Einführung von Social-Collaboration-Plattformen setzt man einen Prozess in Gang, der die Machtbalance im Unternehmen ebenfalls weg von der Hierarchie in Richtung Autonomie von Individuen und Teams verschiebt. Bei einer erfolgreichen Implementierung einer Social-Collaboration-Kultur wird dies als soziale Praxis im Unternehmen sehr deutlich. Man kann umgekehrt den Gebrauch von Social-Collaboration-Systemen in Unternehmen gar nicht verstehen, wenn man nicht die Ebene der sozialen Praxis ebenfalls in den Blick nimmt. Und davon haben die betrieblichen Interessenvertretungen wiederum viel Ahnung. Insofern muss die Einführung von Social-Collaboration-Plattformen Betriebsräte auf den Plan rufen. Für die Einführung der Plattformen kommt es nun zentral darauf an, Projektentscheidungen von vornherein transparent zu diskutieren und nachvollziehbar zu dokumentieren. Die Einführung macht dabei Regelungen zum Umgang mit den Daten genauso wichtig wie beispielsweise die Frage zu klären ist, welche Arbeitsstrukturen für das Gelingen der Prozesse neu organisiert werden. In welchem Sinne also auch die betriebliche Arbeitsorganisation gewollt verändert wird. Und schließlich, dass auch Transparenz nicht so missverstanden werden darf, eine genaue Kontrolle darüber zu haben, wann die einzelnen Mitarbeiter*innen Diskussionsbeiträge (und welche) abliefern, gerade online sind oder auch zur Zeit nicht erreichbar.

Warum es am Ende auch Betriebsräte nicht leicht haben

„Neu für Betriebsräte ist vor allem die Tatsache, dass sie vermehrt in die Reorganisation ihres Unternehmens einbezogen werden.“ [5]a.a.O., S. 9

Das gilt natürlich auch umgekehrt: Wenn die betrieblichen Interessenvertretungen sich von vornherein und gemeinsam mit der Unternehmensleitung den hinter den kollaborativen Arbeitsformen stehenden Herausforderungen, wie beispielsweise der Regulierung der Arbeitszeit, stellen, dann können sie auch etwas bezüglich der Akzeptanz der Beschäftigten bewirken. Sie können bei einer Implementierung sogar eine Schlüsselrolle spielen, denn die größte Herausforderung steckt ja nicht in der technischen Einführung, sondern in den sozio-kulturellen Veränderungen der Arbeitsorganisation, die sich ergeben. Und die damit angestrebte oder ermöglichte Partizipation der Beschäftigten ist etwas, was die Arbeit von betrieblich gewählten Interessenvertretungen als demokratisch verfasste Einheit von vornherein auszeichnet. Auch für Betriebsräte lassen sich übrigens nicht alle dadurch entstehenden Herausforderungen trivial lösen. Eine Klärung der sich durch die Einführung einer Social Business Collaboration ergebenden Probleme gibt es jedoch nicht, soweit kann man sicher sagen, durch ein Zurück zu hierarchischen Systemen der Betriebssteuerung oder ein bewusstes Heraushalten der Betriebsräte. Es muss vielmehr prinzipiell darum gehen, mit den Betroffenen zu agieren und sie zu ermächtigen, ihre Probleme – gemeinsam mit den betrieblichen Interessenvertretungen – zu lösen. Was wiederum bedingt, ihre gewählten Repräsentanten und Vertretungen aktiv mit zu vernetzen und einzubinden. Diese können wiederum die Dinge besser beurteilen, wenn sie sie aus eigener Erfahrung kennen. Jenseits eines eindeutigen Mitbestimmungsrechts können die betrieblichen Interessenvertretungen sogar zu „Change Agents“ werden. Das heißt, dass die betrieblichen Interessenvertretungen in diesem Kontext Partner des Managements oder der Personalentwicklung werden. Das schafft man aber wiederum nur unter bestimmten Voraussetzungen. Vor allem muss dazu gewährleistet werden, dass die Betriebsräte auch kompetent darin werden, mit den Tools und Techniken richtig umzugehen – und sie im Idealfall sogar für die eigene Arbeit einsetzen können, also selbst die Social-Collaboration-Plattform nutzen.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Es stammt aus: Tietel, E. (2008): Betriebspolitik im Wandel: Betriebsräte als Grenzgänger. In: Supervision Nr. 1/2008, S. 6 – 13.
2 Die Zusammenarbeit mit Beck et al. Services ist unter der Idee entstanden, wie Betriebsräte für das Thema Social Collaboration zu gewinnen sein könnten. Das ist im Prinzip immer noch unser Anliegen.
3 Ausführlicher habe ich dazu in meinem Beitrag Die Rolle betrieblicher Interessenvertretungen geschrieben. Dieser Beitrag ist im Juli 2014 erschienen in: Richter, A. (Hrsg.): Vernetzte Organisation. De Gruyter Oldenbourg Verlag, S. 278 – 285
4 Ich erwähne der Einfachheit halber die Institution des Betriebsrats. Dies ist einfach dem Umstand geschuldet, dass sie zu über 90 % den Anteil der betrieblichen Interessenvertretungen darstellen. Damit sind aber von meiner Seite aus Personalräte und Mitarbeitervertretungen explizit auch gemeint.
5 a.a.O., S. 9